Fünfter Auftritt

[17] Fassel. Mehrere Bräuknechte und Handwerksburschen von verschiedenen Professionen. Pantsch. Nannette. Sepherl. Hannerl. – Dann Zwirn, Leim und Knieriem.

Alle sitzen teils an den Tischen und trinken, teils tanzen sie mit Hannerl und Sepherl, Fassel tanzt mit Nannetten.


ALLE. Vivat! der Herr Bestgeber soll leben!

FASSEL im Tanzen. Ein Glas her! Pantsch gibt ihm während dem Tanz eine Flasche. Die ganze Gesellschaft Vivat!


Er trinkt im Tanzen die Flasche aus, wirft sie dann zur Erde, und tanzt weiter.

Zwirn, Leim und Knieriem treten ein.


ZWIRN. Hallo! da hab' ich a Musik g'hört!

KNIERIEM. Herr Vater! a Halbe G'mischt's.


Setzt sich links.


LEIM. Mir eine Halbe, und eine Portion Niernd'ln.

HANNERL. Wie schaffen Sie's denn?

LEIM. Mit Semmelbröseln oder mit Sagschaten, das ist ein hungerigen Tischler alles eins. Setzt sich.


Kellnerinnen bringen das Verlangte.


ZWIRN zu einem Musiker. Da sein acht Groschen, jetzt macht's mir einen saubern Walzer auf. Gibt ihm Geld.

FASSEL beiseite. Das ist ein fideler Kerl.

ZWIRN zu Fassel, neben welchem Nannette sitzt. Sie erlauben schon eine Tour. Nannette auffordernd. Mein Fräulein, darf ich so frei sein?


Ein Ländler beginnt, Zwirn haut auf, und schlägt ungeheure Fußtriller.


LEIM. Ah wart, Schneider, du sollst mich nicht spotten. Nimmt Hannerl, welche ihm das Bier bringt, und tanzt mit ihr ein paarmal herum, endlich sieht er einen Handwerksburschen sehr ärmlich und traurig dasitzen – er hört zu tanzen auf, und sagt zu ihm. Ich glaube gar, das ist ein Tischler?


Die Musik hört auf.


HANDWERKSBURSCH. Ja, leider!

LEIM. Wo fehlt's denn?

HANDWERKSBURSCH. Überall.

LEIM. Mir auch; aber wer wird denn deswegen traurig sein?[17] – Heda! Eing'schenkt da für den eine Halbe Wein auf meine Rechnung.

FASSEL. Nix, das laß ich nit angehn, heut geht alles aus mein Sack. Ich hab' tausend Taler g'wonnen in der Lotterie, heut traktier' ich ganz allein.

KNIERIEM. Tausend Taler? – A Halbe G'mischt's!

LEIM. Ah schön! da werd'n wir schon so frei sein, und werden's uns schmecken lassen.

ZWIRN. Das wird schon ein schön's Glück sein; wenn ich das hätt', ich setzet mich gar nicht mehr nieder, da ging's alleweil a so. Er haut auf. Ah verdammt! ich hab' mir den rechten Wadel überstaucht – ich muß mich schon niedersetzen.

FASSEL. Warum setzt's euch denn nicht zu unserm Tisch, Kameraden?

LEIM UND ZWIRN. Mit Verlaub.


Setzen sich zu Fassel und den Brauknechten.


KNIERIEM. Noch ein G'mischt's! Gibt der Kellnerin das leere Zimment, und setzt sich ebenfalls an diesen Tisch. Ein schlechter Zeitpunkt war's halt doch, jetzt was z' g'winnen.

FASSEL. Warum?

KNIERIEM. Weil man's nicht mehr anbringen kann. Aufs Jahr kommt der neue Komet, der die Welt z'grund richt, nacher ist der Herr pfutsch mitsamt sein Treffer.

LEIM. Red nit so dumm, gar nichts g'schieht, mir hat's ein Professor g'sagt.

KNIERIEM. Ich werd's doch besser verstehn als ein Professor? Ich hab' die Astronomie aus'n Büchel g'lernt, und mach' alleweil meine Beobachtungen, wenn ich ham geh' in der Nacht.

LEIM. Ja, wenn du besoffen bist.

ZWIRN. Mit'n Tanzen ist's heut schon Feierabend bei mir.

FASSEL. So singen wir eins, weil wir so in caritatibus beisammen sitzen.

KNIERIEM. Gut is! Ich hab' ein superbes Lied g'macht.

LEIM. Heraus damit!

KNIEREIM. Ös müßt's aber alle mitsingen. Der Text ist von mir nach einer Rittergeschichte frei bearbeitet.[18]

FASSEL. Das is recht. O ich hab' die romantischen Sachen so gern.

KNIERIEM. Schaut's mir aufs Maul, und singt's alle mit mir zugleich.


Gesang.


Eduard und Kunigunde,

Kunigunde und Eduard,

Eduard und Kunigunde,

Kunigunde und Eduard.

Eduard und Kunigunde,

Kunigunde und Eduard.


FASSEL. Das ist wirklich einzig.

LEIM. Ordentlich rührend.

KNIERIEM. Ein G'mischt's! – Also jetzt singen wir die zweite Strophe, die is noch schöner.


Gesang.


Eduard und Kunigunde,

Kunigunde und Eduard,

Eduard und Ku –


LEIM. Hört's auf! Das is ja allweil's nämliche.

KNIERIEM. Ihr wißt nicht, was schön ist.

FASSEL. Halt! Ich weiß was schön ist. Wir ziehen alle da ins Kaffeehaus hinüber, und ich zahl' dort ein jeden ein Glasel Punsch. Wer mitgehn will, geht mit. He, Musikanten! Aufg'rebellt!


Chor und alle ab, bis auf.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 17-19.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der böse Geist Lumpazivagabundus
Der böse Geist Lumpazivagabundus: Oder Das liederliche Kleeblatt

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Der Hungerpastor

Der Hungerpastor

In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«

340 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon